
Ich falle einfach direkt mal mit der Tür ins Haus: Wie sieht es eigentlich mit Ihren Neujahrs-Vorsätzen aus?
Das Jahr 2021 ist ja nun schon einige Wochen alt. Da müssten Sie ja durchaus schon die ein oder andere Verhaltensweise geändert haben, einige Pfunde müssten gepurzelt oder Yoga zur täglichen Routine geworden sein …
Nein? Die ersten Tage und Wochen waren Sie noch gut dabei, aber dann haben sich wieder die bekannten Gewohnheiten eingeschlichen oder unser alter Kumpel, der Schweinehund, hat sich leider immer öfter zu Wort gemeldet und – so hartnäckig und penetrant wie er nunmal ist – auch gewonnen…?
Woran liegt das, dass es uns so schwerfällt, alte Muster zu durchbrechen und neue zu etablieren? Vom Verstand her wissen wir doch ganz genau, dass es gut wäre, etwas zu verändern. Sei es für unsere Gesundheit, für unser körperliches oder mentales Wohlbefinden, gegen unseren eh schon viel zu hohen Stresspegel, für ein bisschen mehr Alltags-Gelassenheit oder, oder, oder …
Hach, wenn das Ganze nur so einfach wäre… Wenn es reichen würde, dass unser Verstand sagt: „Hey, das tut Dir nicht gut! Verändere was!“, dann würden wir das doch alle sofort machen. Richtig? Aber sowas von!
Leider ist eine Änderung alter Gewohnheiten aber ganz und gar nicht so einfach, denn neben dem Verstand gibt es noch eine „Instanz“, die ein Wörtchen mitredet. Das Unbewusste.
Keine Angst, ich komme Ihnen jetzt nicht mit einer Abhandlung über Freud und Sie müssen sich auch nicht auf eine Couch legen.
Schönerweise wird es viel handfester und praktischer!
Die ersten Wochen des neuen Jahres habe ich nämlich für eine extrem spannende und lehrreiche Weiterbildung genutzt, in der es genau darum ging:
Wie schaffe ich eine Veränderung?
Wie schaffe ich es, (endlich) das zu tun, was mir gut tut und was ich brauche?
Es kann also um die guten alten Neujahrs-Vorsätze gehen, wie „Ich möchte abnehmen“, „Ich will mehr Sport treiben“ oder „Ich will mich gesünder ernähren“. Oder es kann um eine Entscheidung gehen, die man treffen muss oder will. Wie so oft hat aber alles seine Vor- und Nachteile und auch nach tage- oder wochenlangem Überlegen, hat man immer noch kein endgültiges Ergebnis.
Es kann aber auch darum gehen, Auftrittsängste und Lampenfieber zu überwinden oder die Übemotivation zu steigern. Es ist also im weitesten Sinne (auch) ein Mentaltraining und die Einsatzmöglichkeiten extrem vielfältig.
Jedenfalls: In dieser Weiterbildung ging es um das Zürcher Ressourcen Modell – oder kurz ZRM®.
Und weil ich so begeistert bin – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der praktischen Anwendung, denn ich habe in den vergangenen Wochen schon bei einigen Klienten damit gearbeitet – will ich gerne davon berichten. Wer weiß, vielleicht könnte es ja auch für Sie hilfreich sein …?
Das Zürcher Ressourcen Modell wurde von den Psychotherapeuten Dr. Maja Storch und Dr. Frank Krause für die Universität Zürich entwickelt und ist ein ressourcenorientiertes Selbstmanagement-Training. Hört sich vielleicht erstmal etwas abstrakt an, aber glauben Sie mir: Es ist alles andere als das! Es geht darum, Ressourcen zu aktivieren, die uns dabei helfen, den Weg einer Veränderung zu gehen. Es soll stärken und kräftigen. Es ist wie „Hühnersuppe für die Seele“.
Aber erstmal von vorn.
Das ZRM® geht davon aus, dass eine Veränderung nur dann auf Dauer (also nachhaltig) funktioniert, wenn Verstand und Unbewusstes zusammen in einem Boot sitzen und gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten … oder um bei dem Bild zu bleiben: Verstand und Unbewusstes müssen im Gleichklang rudern. Man spricht hier auch von „Synchronisation von Verstand und Unbewusstem“.
Das wird besonders nachvollziehbar und einleuchtend, wenn man sich einen Ruder-Zweier vorstellt:
Wenn beide gleichzeitig, also synchron, die Schläge ausführen, werden Sie das Ziel ziemlich sicher erreichen.
Wenn einer von beiden immer genau dann schlägt, wenn der andere es nicht tut und umgekehrt, dann kommt das Boot nur schwer bis gar nicht von Stelle. Es wird blockiert. Das Ziel bleibt also in weiter Ferne. Wir rackern – oder rudern – uns ab, kommen aber trotzdem kaum von der Stelle.
Genau diesen Fall haben wir häufig, wenn wir nach kurzer Anfangseuphorie für unsere Neujahrs-Vorsätze wieder in alte Muster und Gewohnheiten verfallen. Oder wenn wir es von vornherein irgendwie nicht schaffen, Veränderungswünsche auch wirklich in die Tat umzusetzen.
Ruderer 1 (unser Verstand) arbeitet nicht synchron mit Ruderer 2 (unserem Unbewussten).
Ein elementarer Bestandteil des ZRM® ist es, das Unbewusste miteinzubeziehen – es sozusagen als starken und vor allem „synchronen Ruderer“ mit ins Boot zu holen. Der Verstand sitzt ja sozusagen schon drin und ist davon überzeugt, dass uns die Veränderung gut tun würde.
Nun gibt es aber eine kleine Hürde: Das Unbewusste kann sich nicht über Sprache ausdrücken. Zumindest nicht über Wortsprache, so wie unser Verstand. Aber es kann sich über Körpersignale, sogenannte somatische Marker, ausdrücken. Manche nennen es auch Bauchgefühl.
An dieser Stelle möchte ich mit einem häufigen Missverständnis aufräumen.
Das berühmte „Bauchgefühl“ muss nicht zwangsläufig in der Magengegend zu finden sein.
Manche Klienten sind oft sehr verzweifelt und erzählen „Jeder sagt mir, ich soll auf mein Bauchgefühl hören. Aber da fühle ich nichts! Da ist nichts, worauf ich hören könnte …“
Genau deshalb finde ich den Begriff „Körpersignal“ viel klarer. Denn das, was wir gemeinhin als Bauchgefühl bezeichnen, kann genauso gut ein Gefühl in der Brust sein.
Der Kloß im Hals. Gänsehaut. Oder Verspannungen im Nacken.
Aber natürlich auch die Schmetterlinge im Bauch. Oder das Gefühl, wenn einem ein Licht aufgeht und man regelrecht spürt, wie sich ein paar Synapsen im Hirn entknoten – der Kopf wird plötzlich ganz leicht und frei.
Wie aber kommen wir denn nun an das Unbewusste heran? Wie können wir mit ihm (und es mit uns) kommunizieren, wenn doch dieses Unbewusste dem Menschen, naturgemäß und wie der Name schon sagt, gar nicht bewusst ist?
Die Antwort: Über Bilder!
Bilder sind sozusagen eine Übersetzungshilfe für das Unbewusste. Ein Stimulus, zu dem das Unbewusste „Ja oder Nein“ sagen kann. Eben über jene Körpersignale, die entweder als positiv oder negativ wahrgenommen werden.
Das ist der Grund, warum man im ZRM® mit Bildern unterschiedlichster Art arbeitet – sei es ein reales Foto oder eine bildhafte Vorstellung. Einziges Kriterium bei der Bilderauswahl ist ein starkes, gutes Gefühl. Das Unbewusste muss “Ja!” zu diesem Bild sagen. Wir wollen schließlich seine Unterstützung bekommen.
Wenn dann so ein starkes, gutes Bild gefunden ist, geht es an die Auswertung.
Warum hat mir mein Unbewusstes gerade dieses Bild „empfohlen“? Warum meint es, dass ich das brauche, um eine Veränderung herbeizuführen? Was verbinde ich mit diesem Bild?
Hier darf übrigens wieder der Verstand übernehmen. Und es darf alles völlig frei und ungefiltert ausgesprochen werden. Es dürfen die wildesten Hypothesen in den Raum gestellt werden. Glauben Sie mir, das kann richtig Spaß machen!
Die besten Ideen werden dann zu einem „Motto-Ziel“ zusammengesetzt, also zu einem oder zwei Sätzen, die richtig Lust machen auf dieses neue Lebensgefühl oder die Veränderung.
„Was bitte ist denn nun ein Motto-Ziel?“, werden Sie sich jetzt vermutlich fragen.
Erinnern Sie sich noch an Barack Obama´s “YES, WE CAN”?
Genau das ist ein Motto-Ziel. Es soll eine Haltung und Gefühle erzeugen. Es soll motivieren und energetisieren. Es soll gar nicht konkret sein, sondern ganz grundsätzlich eine positive, optimistische Einstellung vermitteln. Denn genau das spricht das Unbewusste an.
Und wenn Sie mich fragen, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Mit einem guten Motto-Ziel kann man Wahlen gewinnen. Da ist es (fast) egal, wie inkompetent man sonst sein mag. Das haben Donald Trump und sein zweifelhaftes „America first“ leider sehr eindeutig bewiesen.
Haben wir also das Unbewusste mit einem guten Motto-Ziel mit an Bord – und das merken wir an … richtig, den positiven somatischen Markern, den Körpersignalen – kann der Prozess weitergehen. Ein gutes Motto-Ziel ist zwar die halbe Miete, aber ob wir dann schon so weit sind, ab jetzt alles anders zu machen, würde ich stark bezweifeln.
Denn: alte Gewohnheiten beruhen auf eben genau so alten und leider auch sehr starken neuronalen Verbindungen im Gehirn.
Die logische Konsequenz daraus ist, dass wir unserem Gehirn helfen müssen, neue Verbindungen zu bauen. Und das tun wir, indem wir uns „Erinnerungshilfen“ schaffen.
Kleine Hinweise, die uns in unserem Alltag immer wieder an unser Motto-Ziel oder das Bild, das sich unser Unbewusstes ausgesucht hat, erinnern. In der Psychologie nennt man diesen Vorgang „Priming”. Können Sie sich merken, müssen Sie aber nicht.
Interessant zu wissen ist jedoch, dass die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt ausstatten, Auswirkungen auf unsere Informationsverarbeitungen hat und darauf, wie wir wahrnehmen und handeln. Wir können also bestimmte Handlungsbereitschaften selbst(!) erzeugen und beeinflussen.
Nun aber zurück zu den Erinnerungshilfen: Das kann jenes Foto als Hintergrundbild auf dem Handy oder Laptop sein. Ein Klingelton. Eine Tasse in einer bestimmten Farbe. Ein Gegenstand, den wir gut sichtbar in der Wohnung platzieren. Ein neues Kleidungsstück oder Accessoire …
Und wenn Sie irgendwo ein Passwort brauchen, warum nicht eines, das mit Ihrem Bild oder Motto-Ziel zu tun hat?
Wie Sie sehen, sind der Kreativität und Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Hier gilt tatsächlich der Spruch: Viel hilft auch viel! Wenn Sie über den Tag immer wieder an Ihren Erinnerungshilfen vorbeikommen, wird jedes Mal Ihr neues, neuronales (Veränderungs-)Netz automatisch aktiviert und gestärkt. Und dafür müssen Sie sich noch nicht einmal wahnsinnig anstrengen.
Vielleicht denken Sie jetzt „Hintergrundbild, Klingelton, Tasse … das sind doch alles nur Kleinigkeiten!“
Und da kann ich Ihnen nur zustimmen. Das ZRM® bewirkt keine schnelle und radikale Veränderung von heute auf morgen. Veränderung ist ein Weg. Ein Prozess.
Und Prozess bedeutet vom Wortursprung her nichts anderes als „vorwärts gehen“. Es bedeutet nicht: sofort ankommen!
Allerdings haben viele veränderte(!) Kleinigkeiten in einem dadurch veränderten Alltag über kurz oder lang eine Wirkung. Oft sogar eine große.
Und um die Skeptiker unter Ihnen vollends zu beruhigen: Das ZRM® umfasst noch einiges mehr, als das, worüber ich heute erzählt habe.
Wie man zum Beispiel den Körper in die Veränderung integrieren kann, und was man tun kann, wenn es Situationen gibt, in denen die alten Muster und Gewohnheiten doch wieder die Oberhand gewinnen, dazu mehr im nächsten Blogartikel.
Bleiben Sie neugierig!
* „Imagine me“ von Eddie from Ohio